Mittwoch, 18. September 2013

Ikonografie – der Schlüssel zum Kunstverständnis



Die Ikonografie erklärt die Symbolik von Kunstwerken. Ohne Verständnis der Ikonografie bleiben dem Betrachter Inhalt und Aussage eines Kunstwerks oft verschlossen.

Kenntnisse der Geschichten von Ovid’s  „Metamorphosen“ oder Dante’s „Göttlicher Komödie“ waren dem  Bildungsbürgertum selbstverständlich. Die  Naturlehre des Physiologus und   die Heiligenlegenden über die Jacobus de Voragine  in der „Legenda Aurea“ berichtet gehörten zum Allgemeinwissen. Und die Künstler konnten voraussetzen, dass ihr Publikum zumindest die biblischen Geschichten in allen Details  kannten. Mit diesem Hintergrund war es den Betrachtern von Kunstwerken möglich, die Botschaft (Symbolik) eines Kunstwerkes richtig zu interpretieren.

Rodin’s Höllentor mag auch ohne, dass man Dantes „Göttliche Komödie“ gelesen hat, schön anzuschauen sein.  Verstehen wird der Betrachter das Kunstwerk jedoch nur, wenn er den Inhalt der göttlichen Komödie kennt.

Um die Symbolik von Kunstwerken zu verstehen sind auch heute Kenntnisse der Ikonografie notwendig. Es mag sein, dass die Schwergewichte der literarischen Vorlagen sich verschoben haben, doch ohne Wissen um diese Vorlagen sind Missverständnisse vorgezeichnet.


Die Bronzefigur der  Bremer Stadtmusikanten kann nur richtig gedeutet werden, wenn man die Geschichte aus den Märchen der Gebrüder Grimm kennt. Bei Unkenntnis des Inhalts würde man sich über die Anordnung der vier Tierfiguren wundern und nach irgendwelchen Erklärungen suchen. Vielleicht lobte man auch die Genialität des Künstlers, wegen dieser aussergewöhnlichen Komposition der vier Tierleiber. Das mag etwas übertrieben erscheinen, denn das Märchen der „Bremer Stadtmusikanten“ kennt jedes Kind. Aber es veranschaulicht, worum es bei der Ikonografie geht und warum die Ikonografie der Schlüssel zum Kunstverständnis ist.


Nur wer etwas Ovid’s  Metamorphosen weiss, erkennt dass die hübsche Frau Lea heisst und von Zeus in der Gestalt eines Schwanes geschwängert wird.  Auch hat die Skulptur mit dem stierköpfigen Mann und der Frau nichts mit Zoophilie (umgangssprachlich auch Sodomie) zu tun, sondern greift wiederum eine Geschichte der griechischen Mythologie auf, in der sich Zeus wegen seiner eifersüchtigen Gattin in einen Stier verwandelte, damit er sich Europa (Tochter des Königs Agenor) nähern konnte. Auch die Verbindung Europa- Zeus war mit Kindern gesegnet.


Um die Symbolik der modernen Kunst zu verstehen, ist dieses Wissen zumindest nicht nachteilig. Darüber hinaus sollte man heute zusätzlich auch moderne Symbole erkennen und zuordnen können. So beispielsweise t ypische Gesten von Politikern (Victory  Zeichen Churchill’s), Symbole der Freimaurerei und Portraitdarstellungen von  neuzeitlichen „Stil-Ikonen“.   

Nur wem es gelingt solche Anspielungen in Kunstwerken zu lesen, kann Sie auch verstehen. Ohne diesem Rüstzeug, wird die Symbolik der Kunst oft gründlich missverstanden.

Autor: Angelo Steccanella

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